Tagebuch




„Auf dem Highway der Gefühle …“

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Gabi & Jürgen vor den Olympischen Ringen, Olympic Plaza, Whistler, British-Columbia

„… ist wieder mal die Hölle los!“ So singen Truck Stop und wir beömmeln uns ein weiteres mal darüber, wie man auf die Idee kommen kann, solche Texte zu schreiben. Hoffentlich schiebt niemand auf der Welt den Satz jetzt in ein Übersetzungsprogramm - ich möchte nicht wissen, was dann bei „beömmeln“ raus kommt. Hab ich jetzt tatsächlich gemacht und Google Übersetzer schreibt „… and we joke once again …“. Gar nicht schlecht, finde ich.

Der „Highway der Gefühle“ ist für uns heute über ganz weite Strecken der Yellowhead Highway, den wir bereits von Jasper bis Clearwater unter die Räder genommen hatten (richtig: der „Blondschopf“). Zunächst geht es auf dem BC-Hwy. #5 nach Kamloops; dort wechseln wir nach kurzem Tankstopp auf den BC-Hwy. #1 (Trans-Canada-Highway - TCH), der uns vorbei am Kamloops Lake führt. Dort gibt es einen Viewpoint und das noch sonnige Wetter mit dem schönen See läßt Gabi hüpfen.

Fast 5 Stunden Fahrt liegen heute vor uns - wie immer ganz gemütlich und entspannt mit 100 km/h max. auf den gut ausgebauten Streckenabschnitten - oder später mit 60 km/h in den sehr, sehr bergigen Serpentinen, die zudem sehr „bumpy“ sind. Da ist alle Aufmerksamkeit und Vorsicht der Straßenführung gewidmet. Bis kurz vor Schluss ist es aber sehr sonnig, wenn auch die Bewölkung immer mehr zunimmt. Für Sun Peaks, wo wir gestern Abend noch 27 Grad Celsius genießen durften, rechnet man schon am Dienstag mit Minus 5 Grad und Schneefall.

Gegen halb 12 verspüren wir ein kleines Hüngerchen. Immerhin haben wir bislang lediglich Kaffee, Trauben und ein paar Pringles gefrühstückt. Da kommt uns das „Hungry Herbies Drive Inn“ am BC-Hwy #97 („Cariboo Hwy.“) doch genau richtig. Draussen wirbt man für den „Famous Monster Burger“. Und innen bestätigt mir ein schmatzender Fernfahrer, dass der besonders „juicy“ sein soll. Stimmt - mir läuft der Bratensaft fast die Arme hinunter. 2 Patties, Käse, reichlich Bacon, Pilze, Salat, Tomate und diverse Soßen ergeben in dem weichen Brötchen eine schmackhafte Melange. Gabi ist mit ihrem Chicken-Burger auch sehr zufrieden. Hinzu kommt die urige Atmosphäre des Drive Inn. Klasse! Die Pommes dazu haben wir gleich abbestellt - man muss ja vernünftig bleiben.

Der endless Highway bringt uns schließlich zum Duffey Lake im gleichnamigen Provincial Park. Hier haben sich zahlreiche Baumstämme (logs) im See verkeilt - das scheint ein Dauerzustand zu sein; ist jedenfalls bei Google Maps auch so zu sehen. Insgesamt ist die Landschaft sehr abwechslungsreich: mal erinnern mich die schroffen, grünen Hügel an die Highlands in Schottland, dann die gelbgrünen, kargen Badlands mit kleineren Erhebungen voll Sagebrush an Nevada oder Utah - und schon haben wir wieder sattes Grün, Wälder und hochalpine Gebirge am Horizont. Toll!!

Die Fahrerei macht mir nix aus - ganz im Gegenteil. Das ist alles so schön und ruhig. Niemand drängelt, alles fließt, Gabi reicht mir immer wieder im genau richtigen Zeitpunkt etwas Obst, Wasser oder Kaffee - wunderbar; danke!

Whistler ist bekannt für seine malerische, alpine Atmosphäre und den spektakulären Blick auf die Berge - der uns heute leider verwehrt bleibt. Das Wetter ist hier auf den letzten Kilometern leider (erwartungsgemäß) schlechter geworden.

2010 fanden hier und in Vancouver die Olympischen Winterspiele statt. Im Winter ist der Ort dank seiner Schneesicherheit ein Eldorado für Ski- und Snowboardfahrer aber auch im Sommer ist Whistler nicht weniger attraktiv. Der Blackcomb- und der Whistler Mountain bieten viele Möglichkeiten für Wanderungen, zum Mountainbiken oder auch zum Golfen. Wir würden gerne wandern - morgen, wenn das Wetter mitspielt.

Unser Zimmer in der Crystal Lodge Whistler ist derart gigantisch und nobel, dass wir es kaum fassen können. So einen riesigen Raum haben wir selten, wenn überhaupt schon mal gehabt. Ich habe ausnahmsweise mal 2 Bilder davon eingestellt. Nachdem wir uns eingerichtet haben starten wir, den Ort zu erkunden. Der ist weitestgehend vor 2010 künstlich erweitert worden - als Olympisches Dorf. Der Stil gefällt mir aber sehr gut.

Die Herbstfarben schlagen jetzt hier auch voll zu, wenngleich die fehlende Sonne alles etwas eintrübt. Wir tummeln uns eine ganze Zeit am Olympic Plaza und machen Fotos. Der Wind weht jetzt so ruppig, dass er auch das olympische Feuer ausgeblasen hat.

Nun heißt es, etwas geeignetes zum Abendessen zu finden. Schon von zu Hause aus hatten wir gelesen, dass die „Old Spaghetti Factory“ mehr als ein Geheimtipp ist. Wir haben das ganze Dorf abgegrast - keine Spur von der Nudelfabrik. Dabei liebt Gabi Spaghetti über alles und hat heute auch echt Lust drauf. Wir suchen etwas Brauchbares in der Nähe des Hotels, damit wir hinterher nicht mehr weit laufen müssen - und finden die Old Spaghetti Factory im Untergeschoss unseres Hotels. Supi!

Das ist ein riesiger Laden und der ist rappelvoll. Wir ergattern aber schnell zwei Plätze. Zu den Spaghetti gibt es Brot, Kräuterbutter, wahlweise Salat oder Suppe und (wir verzichten) sogar Eis zum Nachtisch inklusive. Schmeckt alles super und macht richtig satt. Apropos; ich habe gestern was vergessen: die bunten Blumen auf dem Sun Peak sind Lupinen. Ein Schild wies uns auf folgenden Sachverhalt hin: Lupinen sind immer schon die Leibspeise der Murmeltiere gewesen. Und die Natives hier in Canada wussten schon vor tausend Jahren: „Wenn die Lupinen blühen, sind die Murmeltiere fett genug, um sie zu fangen und zu essen!“

Gute Nacht - die Aussichten für morgen sind regnerisch, aber wir machen was draus!

Tagesetappe: 357 Kilometer
Übernachtung: Crystal Lodge, 4154 Village Green, Whistler, BC V0N 1B4

"This is Canada to us!"

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Jürgen auf dem Berg Trail, Mount Robson PP, British-Columbia

Um ca. 08:30 Uhr starten wir ins nächste Abenteuer. Vorher einen schnellen Kaffee auf dem Zimmer, Sachen packen und ab gehts. Tür auf - links, rechts, immer noch kein Bär - Klamotten ins Auto uns los. Brrr - 1 Grad über Null, sehr frisch. Es ist unverkennbar: der Winter naht in den Rockies. Denen kehren wir heute den Rücken, kommen aber in gut 2 Wochen nochmal wieder und dann müssen wir rüber kommen - mal sehen!

So ganz können wir uns aber noch nicht trennen vom Jasper NP. Ganz in der Nähe liegt der Pyramid Lake und da wollen wir in der Frühe doch noch mal eben vorbeischauen. Nach 8 Minuten sind wir schon am vorgelagerten Patricia Lake und weitere 2 Minuten Fahrtzeit sind es dann noch bis zum Pyramid Lake. Es ist früh, es ist kalt, kaum jemand ist unterwegs. Leichter Nebel wabert übers spiegelglatte Wasser. Tja Georg, ich weiß nicht, woran es liegt, aber die Seen liegen wieder so ruhig da, obwohl ein Kanu kreuzt. Traumhaft!

Zurück in Jasper tanken wir kurz, nehmen Kaffee in unseren Yeti-Bechern mit und ebenso ein paar Sandwiches fürs Frühstück.

Über den Yellowhead Highway erreichen wir die Passhöhe (1.131 m). Es ist der am niedrigsten gelegene Pass hier in den Rocky Mountains und er ist gleichzeitig Wasserscheide. Auf der Passhöhe passiert vieles gleichzeitig: wir wechseln von Alberta nach British-Columbia, damit wechseln wir auch die Zeitzone (und sind ab sofort 9 Stunden hinter Deutschland zurück) - und zu guter Letzt wechseln wir hier auch vom Jasper NP in den Mount Robson Provincial Park (PP). Keine Frage: auch hier gibt es einen See. Der Yellowhead Highway wird uns heute bis Clearwater begleiten. Übersetzt heißt das in Etwa „Blondschopf-Highway“.

Die Ursprünge des Yellowhead Highway gehen zurück auf das Jahr 1819, als der Trapper und Irokese Pierre Bostonais (1805–1827) mit dem Kosenamen „Blondschopf“ von der Hudson’s Bay Company als Führer durch die kanadischen Rocky Mountains angeheuert wurde. Der heute als „Yellowhead Pass“ bekannte Übergang diente den hier siedelnden indigenen Völkern seit langer Zeit als Handelsroute, die bei den frühen Expeditionen genutzt wurde, doch erst die Errichtung der Eisenbahnlinie der Grand Trunk Pacific Railway führte zur Erschließung des Gebiets. Heute sind wir hier.

Vorbei am langgestreckten Moose Lake erreichen wir das Visitor Center des Mount Robson PP. Der Mount Robson ist mit 3.954 der höchste Berg in den kanadischen Rocky Mountains. Sein schneebedeckter Gipfel vor blauem Himmel haut uns echt aus den Socken. Überhaupt: was haben wir bisher für ein Glück mit dem Wetter? Heute ist der perfekte Tag. Zwar ist es noch sehr frisch, aber die Farben knallen einfach nur. Ob es das Herbstlaub, der Himmel oder die Farben in den Flüssen und Seen sind - der Sättigungsregler steht auf Rechtsanschlag - und das ohne Bildbearbeitung. Hier vom Visitor Center hat man echt den besten Blick auf den majestätischen Berg.

Wir hatten offen gelassen, ob wir hier eine Wanderung machen. Der „Berg Trail“ ist insgesamt 29 km lang, wurde aber letztens durch Lawinen und Erdrutsche unbegehbar gemacht. Der Wiederaufbau findet in 3 Phasen bis Ende 2025 statt. Das erste Teilstück (5 km) bis zum Kinney Lake ist gerade fertig geworden. Bei dem Wetter können wir nicht anders: wir stiefeln los.

Einsam ist es hier; wir wandern durch dichten, z.T. schummrigen Wald, der oft an Regenwald erinnert mit seinen Moosen und Farnen. Auch Redwoods gibt es hier. Dann bricht der Wald auf und vor uns liegt der imposante Mount Robson im gleißenden Sonnenschein. Wir bimmeln vor uns hin - keine Bären- und Menschenseele ist zu sehen. Später tauchen einzelne Wanderer auf; alle sind ernsthaft unterwegs, keine Fellpantöffelchen. Der Weg führt immer am tosenden Fraser River entlang.

Nach gut 4,5 km erreichen wir den Kinney Lake - und wieder spiegelt sich die Welt im See. Wir machen einige Bilder, gehen am Ufer entlang und genießen die Schönheit der Natur. Zwei übermütige Jungs springen ins eiskalte Wasser. Nochmal: brrrr ….

Auf dem Rückweg kommt uns ein Paar mit fünf Huskies entgegen. Herrliche Tiere. Die fahren im Winter bestimmt Schlitten mit den beiden. Wir ziehen die Jacken aus - in der Sonne ist es jetzt richtig heiß. Nach gut 2,5 Stunden haben wir die Strecke geschafft und sind zurück am Auto. Fast 10 km waren das, bergig, aber super zu gehen.

Nun liegen weitere 2,5 Stunden Fahrt vor uns. Der Weg ist das Ziel und mit 100 km/h rollen wir entspannt nach Westen. Das Panorama vor uns: endless Highway - fantastische Bergkulisse - ein Genuss! Genau so haben wir uns Canada vorgestellt - sagenhaft!

In Clearwater machen wir Stopp am Visitor Center. Hier wird der Tagesplan für morgen bestätigt. Unsere Planungen sind machbar. Wettervorhersage: 27 Grad Celsius.

Wir beziehen unser großzügiges Zimmer und sind 15 Minuten später schon wieder unterwegs: wir benötigen dringend neues Wasser. Und wir kaufen unser Abendessen im Supermarkt. Heute geht es mal ganz gemütlich und ohne Trinkgelder zu, denn wir haben einen Balkon. Dort verspeisen wir ein 3-Gänge Menü: als Vorspeise gibt es Nan-Brot mit Dip sowie Whiskey-Pepper-Räucherlachs. Als Hauptgang folgt Mac’n Cheese mit Chicken-Wings und Coleslaw und zum Nachtisch frische Ananas mit einem Gin-Tonic. Es könnte uns schlechter gehen! Muss aber nicht, wir haben Urlaub! Bis morgen!

Tagesetappe: 154 Kilometer
Übernachtung: Quality Inn & Suites Clearwater, 360 Eden Road, Clearwater, BC V0E 1N2

© 2023 Gabi & Jürgen