Tagebuch




Grand Finale: Emerald Lake Lodge

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Jürgen am Emerald Lake, Yoho NP, British-Columbia

Das Stoke Hotel in Revelstoke ist wirklich sehr zu empfehlen! Klein, fein und besonders. Das betrifft auch den Frühstücksraum, der ganz ohne Fernseher, dafür aber mit perfektem Diner-Ambiente in Türkis daher kommt. Und: kein Einmalbesteck u.ä. - alles wird gespült und wieder verwendet.

Drei Dinge habe ich noch nachzutragen von den vergangenen Tagen: Wir haben bereits am Mittwoch nach den leckeren Ribs getankt und hofften, dass dies die letzte Tankfüllung war (da wussten wir noch nichts vom großen Umweg heute). Tanken kommt hier in Canada einem Formel-1-Pit-Stop gleich: ranfahren, iPhone an die Zapfsäule halten, Noozle in den Tank stecken und voll machen. Quittung bestätigen, entnehmen und ab dafür. Gefällt mir sehr gut!

Gestern Abend im „112“: wir haben uns einen schönen Platz gesucht beim Pool-Tisch. Die Klimaanlage war dort aber so kalt eingestellt, dass wir die Jacken anziehen mussten. Selbst ich, der hier in der Sonne bei einstelligen Temperaturen im T-Shirt unterwegs ist musste kapitulieren. So kann man auch ans kälteste „Beer in town“ kommen: Einfach die ganze Bude auf Kühlhaus runter regeln und schon bleibt das Frischgezapfte lange kalt. Brrr.

Und drittens: seit ca. 2 Wochen weisen Schilder auf allen Highways darauf hin, dass ab 01.10. Winterreifen Pflicht sind. Das ist morgen, ich gehe mal davon aus, dass die Reifen auf unserem nagelneuen KIA noch ok sind bis zum Airport. Schneien sollte es aber dennoch nicht heute Nacht - ausschließen möchte ich das nicht.

Unser Wecker stand auf 06:45 Uhr - daher sind wir um 07:45 Uhr unterwegs. Das ist akzeptabel inkl. Frühstück in unserem Alter.

Es ist ungewöhnlich, so früh auf der Bahn zu sein. Die Wolken hängen extrem tief und wir fahren teilweise hindurch. Fotos bieten sich einfach nicht an in dieser Situation und wir genießen die ruhige Fahrt. Es geht wieder über den TCH (#1), diesmal durch den Glacier National Park. Dieser hat 400 Gletscher, die aber nur bei Wanderungen ins Hinterland zu sehen sind. Über 10% seiner Fläche liegt auch im Sommer unter Eis und Schnee. Heute rollen wir nur durch.

So machen wir Kilometer um Kilometer. Die hohen Berge vor uns sind von Schnee bedeckt, wenn sie aus den Wolken auftauchen. Die Landschaft ist spektakulär während des gesamten Tages, die Fahrt an sich ist easy going. Außer einem toten Biber auf der Fahrbahn (sehr frisch, tadellos im Fell) nichts aufregendes.

Der BC-TCH #1 ist hinter Golden Richtung Yoho NP komplett gesperrt. Gut, dass wir das gestern schon herausgefunden haben und so zeitig unterwegs sind. Also fahren wir weiter bis Radium Hot Springs. Dort zweigt der Weg wieder Richtung Norden ab. Ein Hinweis: nächste Tankstelle: 133 km! Das muss man sich mal vorstellen: im Umkreis von 133 km hast du keine Möglichkeit, nachzutanken. Nirgendwo - no chance! Für unsere Verhältnisse unvorstellbar! Und zusätzlich: die nächsten 120 km kein Mobilfunk! Mein KIA behauptet, noch Sprit für 142 km zu haben. Das wäre eine „Reserve“ von 9 km. Nunja - für mich ist das zu knapp bemessen, denn ich kenne das Gelände nicht, durch das wir fahren werden. Zu viele Steigungen und dann war es das mit Autofahren.

Wir drehen um, fahren den Kilometer zurück bis zum „Roundabout“ (Kreisverkehr) in Raduim und tanken bei Esso. Kaum fertig sehe ich Gabi, wie sie eine Herde wechselnder Bighorn-Sheep ablichtet. Die sind hier mal eben durch den Kreisverkehr gestiefelt, getreu dem Motto: „wir haben Vorfahrt!“

Ab jetzt fahren wir über 100 km durch den herrlichen Kootenay NP. Stopps gibt es nur wenige, gute Möglichkeiten für Fotos noch weniger. So erreichen wir bei Banff wieder bekanntes Terrain, hier schließt sich die Runde. Für uns gilt es aber heute noch weiter zu fahren und den bislang unbekannten Yoho NP zu erkunden. Das Wetter ist weiter durchwachsen, aber nun weitestgehend trocken. „Yoho“ stammt aus der Sprache der Cree-Indianer und bedeutet „Staunen“, „Bewunderung“. Das trifft genau auf den spektakulären Yoho National Park zu. Er liegt am Hauptkamm der Rocky Mountains und gehört zusammen mit dem Banff National Park und fünf weiteren Parks zum UNESCO Weltkulturerbe.

Ein erster Stop gilt einem Viewpoint und zwar auf einen der „Spiral Tunnels“. Die Aussicht ist weniger beeindruckend als die Geschichte dahinter. Aber nur kurz: es handelt sich hier um zwei sog. „Kehrtunnel“ der transkontinentalen Canadian Pacific Railway (CPR). Diese galten bei Eröffnung 1909 als technische Meisterleistung, denn sie reduzierten durch die längere, in Schleifen verlaufende Streckenführung die gefährliche Steigung von 45% am Kicking Horse Pass auf „nur noch“ 22%.

Wir biegen ab und zwar auf die Yoho Valley Road, welche durch ein 13 Kilometer langes, enges Tal zu den Takakkaw Falls, die mit 254 Metern freiem Fall die zweithöchsten Wasserfälle Westkanadas sind, führt. Allein diese Fahrt muss man erlebt haben. Ganz enge 180-Grad-Kehren - mit Gegenverkehr geht hier nix. Daher: Augen auf und wachsam sein. Die Falls sind sehenswert, die anderen Besucher, vornehmlich Asiaten machen schon komische Sachen. Halsbrecherische Klettertouren für das perfekte Selfie, Rudelselfies mit Handy-Stick u.ä. müssen offensichtlich sein - überall!

Auf dem Rückweg liegt ganz bescheiden ein Mini-Parkplatz. Offensichtlich ein Geheimtipp, denn hier ist niemand. Es handelt sich um das „Meeting of the Rivers Confluent“, den Zusammenfluss von Yoho River (weiß) & Kicking Horse River (türkis). Direkt am Parkplatz geht es nur einige Schritte sehr steil runter zum Fluss; das ist kein offizieller Weg, er beschert uns aber auch hier ganz viel fließendes Wasser und tolle Möglichkeiten für das perfekter Foto.

Ich bin wirklich dankbar, dass wir auch diese drei Wochen wieder ohne Blessuren oder Unfall überstanden haben. Daran denke ich, als ich über die glitschigen Flusskiesel und großen Felsbrocken balanciere und klettere. Ein blöder Moment und du kannst dir schnell ein paar Knochen brechen oder mehr. Kein Spaß, erst recht nicht hier, wo du mangels Netz noch nicht mal die 911 anrufen könntest - von einer möglichen Bergung mal ganz abgesehen. Aber: es ist mal wieder sehr gut gegangen!

Jetzt aber auf zur Emerald Lake Lodge am gleichnamigen „Edelsteinsee“. Diese Location soll besonderes sein und wir möchten etwas davon haben. Dort angekommen sind noch viele Tagesgäste da. Zwischen Parkplatz und Lodge liegt eine Brücke und wer nicht weit laufen möchte macht von hier seine Fotos, im Rudel, mit Selfiestick - ihr wisst schon …

Wir gehen ohne Gepäck rüber und checken ein. Mit unseren Schlüsseln finden wir die Hütte 28 und dort das Zimmer 3 unten rechts (283). Klasse! Mit offenem Kamin im Schlafzimmer und mit Balkon (Seeblick). Das Feuerholz ist schon aufgeschichtet. Kein Netz, kein WIFI -aber ein super Zimmer. Das haben sich die CANUSA-Leute gut ausgedacht für den Abschiedsabend. Ich beschreibe auch gar nicht viel mehr - lasst die Bilder sprechen …

Wir müssen unser Auto umsetzen auf den 1 km weiter unten liegenden „overnight“ Parkplatz. Ein (24/7) Shuttle holt uns dort ab und ein Caddy transportiert unsere Klamotten und uns bis vor die Hütte. Kamera raus und los. Wir gehen ein Stück den „Emerald Lake Loop Trail“ und berauschen uns an der Farbe des Sees und den Spiegelungen. Anschließend gehen wir direkt an die Bar. Hier sitzen wir ungezwungener als im Restaurant nebenan. Bier, Bison-Burger und Nudeln sind klasse - der Kellner auch. Neben mir sitzt Thyssen, der seinen kanadischen Whisky on the Rocks, mit Soda und einem Spritzer Zitrone trinkt. Ok, da dürfte die Marke des Whiskeys nebensächlich sein (?). Wir quatschen und ich erzähle natürlich von der Whiskybotschaft und den „Fine Spirits“. Das findet er spannend!

Wir lassen es so richtig krachen heute und bestellen zum „Nachtisch“ den „Smoked Port Old Fashioned“-Cocktail: Portwein, Whiskey, Cherry-Bitter und Ahornsirup werden über Eis geschüttelt und dann (verziert mit Cocktailkirschen und Zitronenzeste) unter einer Glocke mit Ahornspänen geräuchert. Die Präsentation ist spektakulär und mit viel Firlefanz und Brimborium verbunden. Gabi hat ein Video gedreht und zur großen Freude des Barkeepers sofort nach Facebook gestellt. Der Drink war ein schöner Cocktail, fruchtig und süß, dabei (insbesondere in der Nase) etwas rauchig.

Wechsel aufs Zimmer. Vorsatz: heute ist Feuerabend (Tippfehler, sollte „Feierabend“ werden, passt aber noch besser). Keine Fotos, kein Tagebuch, letzter Abend, Kamin an.

So trinken wir bei prasselndem Kaminfeuer ein letztes Glas Wein. Das Feuerholz sieht aus wie gemalt, im Korb und draussen vor der Tür ist noch Nachschub. Ich nehme mir vor, heute Nacht immer was nachzulegen - ging schief, ich habe bei offener Balkontür und Temperaturen um den Gefrierpunkt perfekt geschlafen. Der Abend war dennoch das große Finale eines grandiosen Urlaubs!

Ich sitze hier am Airport und warte aufs Boarding. Nun werde ich mal versuchen, den Text hochzuladen. Fotos muss ich noch sichten und aussuchen. Das mache ich gemeinsam mit dem Bericht von heute in Ruhe von zu Hause aus. Kann ein paar Tage dauern - aber gerne wieder vorbei schauen (allein die Fotos vom Emerald Lake dürften das Wert sein). Das Tagesfoto hat mir Gabi gerade von ihrem iPhone geschickt, als kleinen Vorgeschmack!

Tagesetappe: 447 Kilometer
Übernachtung
: Emerald Lake Lodge, Emerald Lake Road, Field, BC V0A 1G0

© 2023 Gabi & Jürgen